Kapitel 7 | Abschnitt 1

Stärkung des Sozialen Wohnungsbaus

Volt möchte den sozialen Wohnungsbau stärken. Die Anzahl an Sozialwohnungen in Berlin ist in den letzten 10 Jahren stark zurückgegangen.[1] Gleichzeitig haben die Zunahme an Teilzeitjobs, flexiblen und befristeten Arbeitsverträgen sowie die Folgen der COVID-19-Pandemie in vielen Teilen der Bevölkerung zu finanzieller Unsicherheit geführt. In Berlin geben fast die Hälfte der Haushalte mehr als 30 % ihres Einkommens für Miete aus.[2]

 Als konkrete Maßnahmen möchten wir Folgendes umsetzen: 

  • Intensivierung des sozialen Wohnungsbaus durch die sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften
  • Förderung von Wohnraum mit dauerhafter Preis- und Belegungsbindung. Die Sozialbindungen dürfen nicht schon nach wenigen Jahren auslaufen und in regulären Wohnraum umgewandelt werden.
  • Es kommt vor, dass Menschen in sehr günstigen Sozialwohnungen wohnen, obwohl sich ihr Einkommen in der Zwischenzeit deutlich erhöht hat. Daher unterstützen wir die Wiedereinführung und gezielte Anwendung einer Fehlbelegungsabgabe für nicht berechtigte Mieter*innen von Sozialwohnungen.
  • Die Trägerschaften des sozialen Wohnungsbaus sollen in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung Konzepte erarbeiten, damit benachteiligte Gruppen (Menschen mit Be_hinderung, Queere, Alleinerziehende, Menschen, die aufgrund ihres Namens benachteiligt werden, etc.) bei der Wohnungssuche nicht diskriminiert werden.

Wien (Österreich)

In Wien werden circa 30 % der Mietwohnungen durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft betrieben, weitere 26 % gehören gemeinnützigen Bauvereinen und Genossenschaften. Per Gesetz sind zwei Drittel des Neubaus für Sozialwohnungen reserviert. Dies führt zu niedrigen Mieten und im Vergleich zu Berlin zu geringen Mietsteigerungen.[3]

Best Practice

Sinnvolle Nutzung von vorhandenem Wohnraum

Viele Menschen ziehen aufgrund der kulturellen und wirtschaftlichen Vielfalt und der exzellenten Bildungseinrichtungen neu in unsere Stadt. Diese Menschen sollen genauso wie alle Berliner*innen Zugang zu Wohn- und Lebensraum finden, passend zur jeweiligen Lebens- und Einkommenssituation. Aufgrund des bereits vorhandenen Mangels an Wohnraum setzen wir uns für eine sinnvolle Nutzung des vorhandenen Wohnraums ein. 

  • Wir sprechen uns gegen die Umwandlung von Wohnraum in gewerbliche Nutzung, Ferienwohnungen oder Kurzzeitvermietungen aus.
  • Wir möchten die Mobilität am Wohnungsmarkt erhöhen, damit große oder unpassend genutzte Wohnungen leichter gewechselt werden können. Menschen mit großen Wohnungen, die nur wegen eines niedrigen Preises in der Wohnung wohnen, sollen leicht Zugang zu Tausch- oder Ersatzwohnungen bekommen, damit diese Wohnungen wieder frei werden.
  • Möbliertes Wohnen soll in die Preisregulierung aufgenommen werden, damit es nicht nur zur Umgehung genutzt wird. Möbliertes Wohnen soll dort weiterhin möglich sein, wo es für Zuzug, Projekt- und Arbeitsplatzmobilität erforderlich ist.

Stärkung der Wohnungsbaugenossenschaften

Die 27 Wohnungsbaugenossenschaften decken gegenwärtig circa 12 % des Berliner Wohnungsmarktes ab. Vorteile sind niedrige Mieten, eine hohe Wohnsicherheit und ein Mitspracherecht der Mietenden. Die Mieten dienen dem Erhalt und der Verwaltung der Immobilie sowie dem Neubau und nicht dem Profit der Genossenschaft. 

Wir setzen uns für eine Stärkung von Wohnungsbaugenossenschaften ein. Hierbei sollen die bevorzugte Vergabe von Bauland sowie steuerliche Vorteile geprüft werden.

Schaffung neuer Milieuschutzgebiete 

Volt setzt sich für den Erhalt bestehender und die Schaffung neuer Milieuschutzgebiete ein. So soll sichergestellt werden, dass die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erhalten bleibt. Außerdem sollen die Bewohner*innen dort bleiben können, wo die Infrastruktur vorhanden ist, die sie im Alltag brauchen.

Förderung gemeinschaftlichen Wohnens

Volt fördert neue Formen des Zusammenlebens und des gemeinschaftlichen Wohnens. Hierzu zählen wir beispielsweise Mehrgenerationenhäuser, kooperative Haushaltsmodelle und inklusive Wohngemeinschaften. Auch die gemeinschaftliche Nutzung von Fortbewegungsmitteln, Reparaturwerkstätten, Ateliers, Probe-/Arbeitsräumen, Gärten etc. wollen wir ausbauen. Diese Modelle machen das Wohnen erschwinglicher, sparen Ressourcen und schonen die Umwelt. Außerdem verbessern sie den sozialen Zusammenhalt und die Lebensqualität der Menschen.[4]

Reform des Gewerbemietrechts

Wir setzen uns ein für eine bundesweite Reform des Gewerbemietrechts. Ziel ist ein besserer Schutz von Gewerbetreibenden in Ballungsräumen vor Mietpreiserhöhungen und Verdrängung. Dies gilt auch für Mietwohnungen mit teilgewerblicher Nutzung.

Transparenz, Fairness und Rechtssicherheit am Berliner Wohnungsmarkt

Seit Februar 2020 sind die Mieten für rund eineinhalb Millionen Wohnungen auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Seit November 2020 müssen Vermietende darüber hinaus die Mieten senken, wenn diese mehr als 20 % über den vom Senat festgelegten Obergrenzen liegen. Wir haben die Befürchtung, dass die dringend benötigte ökologische und strukturelle Modernisierung der Wohngebäude durch den Mietendeckel gebremst wird. Außerdem werden bislang moderat Vermietende bestraft, da sie ohnehin schon geringe Mieten auch weit unterhalb des Mietspiegels nicht erhöhen dürfen. Insbesondere städtische Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften kommen zunehmend in finanzielle Engpässe; der Neubau wird deutlich zurückgefahren. Wir sehen besonders die zweite Stufe des Mietendeckels kritisch, die eine pauschale Festschreibung von Höchstpreisen sowie eine Senkung der Mieten bereits geschlossener Verträge vorsieht. Aus diesen Gründen hätten wir die zweite Stufe des Mietendeckels nicht eingeführt.  

Unser Wahlprogramm enthält eine Vielzahl von Maßnahmen, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sowie die Energiewende im Gebäudesektor für Berlin sichern sollen. In Ergänzung dazu unterstützen wir die zuletzt 2020 verbesserte Form der bundesweiten Mietpreisbremse. Diese bietet Rechtssicherheit und richtet sich nach der ortsüblichen Vergleichsmiete, welche im Jahr 2019 berlinweit durchschnittlich 6,72 Euro pro Quadratmeter betrug. Zudem sieht die aktuelle Version eine deutliche Beschränkung der Mietsteigerungen durch Modernisierungen vor sowie eine Auskunftspflicht für Vermietende bei Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete. 

Darüber hinaus planen wir: 

  • sofortige Wiedereinführung des bisherigen qualifizierten Mietspiegels. Dieser ist unerlässlich zur rechtssicheren Anwendung der Mietpreisbremse.
  • eine gestaffelte Sonderabgabe auf Mieten, die oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Diese Abgabe soll nicht auf die Mietenden umgelegt werden können, für den Neubau sollen Ausnahmen gelten. Die Einnahmen werden wir dafür verwenden, den sozialen Wohnungsbau zu fördern und einkommensschwache Mieter*innen zu unterstützen.
  • Schaffung der größtmöglichen Transparenz auf dem Wohnungsmarkt. Volt setzt sich daher für ein digitales Immobilien-Register ein. Dieses soll ehemalige und aktuelle Mietpreise, Eigentumsverhältnisse sowie Angaben zu möbliertem, gewerblich oder befristet vermietetem Wohnraum enthalten. Eine höhere Transparenz dient auch der Bekämpfung von Immobilien-Geldwäsche.
  • Wir sehen die an den aktuellen Mietspiegel angepasste Erhöhung des Wohngeldes als eine Möglichkeit, Menschen mit geringem Einkommen zu unterstützen. Uns ist es wichtig, dass Berliner*innen in dem Stadtteil wohnen können, in dem sie arbeiten oder sich ihr soziales Netzwerk befindet. 

Das große Problem der bisherigen Maßnahmen in Berlin sehen wir darin, dass diese unzureichend durchgesetzt und kontrolliert wurden. Bürokratische Hürden, eine mangelnde Aufklärung sowie Sorge vor negativen Konsequenzen haben viele Bürger*innen daran gehindert, gegen überhöhte Mieten vorzugehen. 

Wir setzen uns für Maßnahmen ein, um Mietende umfänglich zu beraten und zur Durchsetzung ihrer Rechte zu verhelfen:

  • kostenlose staatliche Beratungsstellen ausbauen und für eine höhere Bekanntheit sorgen,
  • deutliche Aufstockung von Personal in Behörden und Beratungsstellen zur Beratung, Kontrolle und zur konsequenten Sanktionierung bei Verstößen gegen geltendes Recht,
  • finanzielle Unterstützung von Menschen mit niedrigen Einkommen, die Hilfe privater Vereine (Mietvereine, Mieterschutzbund etc.) in Anspruch nehmen möchten, und
  • Aufbau einer digitalen Plattform zur:
    • Aufklärung über geltendes Recht und Handlungsmöglichkeiten. Diese sollen verständlich, übersichtlich, mehrsprachig sowie in leichter Sprache verfasst sein. 
    • automatisierten Abfrage der ortsüblichen Vergleichsmiete mit konkreten Hilfestellungen für Bürger*innen, falls die verlangte Miete von dieser abweicht.
    • Nutzung eines Online-Tools zur „Rüge” und zur Meldung an das zuständige Bezirksamt, falls ein Verstoß gegen geltendes Mietrecht vermutet wird.
    • Zuordnung von Ansprechpersonen in den Behörden zur Anmeldung von Rechtsansprüchen.

Fußnoten

Fußnoten
1 Vgl. IBB Wohnungsmarktbericht 2019, Investitionsbank Berlin (2019) S.51f. https://www.ibb.de/media/dokumente/publikationen/berliner-wohnungsmarkt/wohnungsmarktbericht/ibb_wohnungsmarktbericht_2019.pdf [28.10.20].
2 Vgl. Teurer Wohnen: in: Hans-Böckler-Stiftung, [online] https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-teurer-wohnen-4509.htm [28.02.2021].
3

Vgl. Wohnungsmarkt Wien: in: Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland, 2020, [online] https://www.bid.info/wp-content/uploads/2020/01/Bericht_Wien_2019050_endbericht-rev.pdf, S. 22ff.

4 Vgl. Deffner, Jutta: Wohnbegleitende Dienstleistungen. Nachhaltiges Wohnen durch innovative gemeinschaftliche Angebote fördern, in: Institut für sozial-ökologische Forschung, 2018, [online] S. 4ff. http://www.wohnmobil-projekt.de/fileadmin/user_upload/Downloads/WohnMobil_Broschuere.pdf.