Volt Berlin

Kapitel 3 | Abschnitt 4

Damit sich alle Berliner*innen in ihrer Stadt uneingeschränkt sicher fühlen, müssen mehr Straftaten aufgeklärt und verhindert werden. Hierfür brauchen wir sowohl mehr erfolgreiche Präventionsarbeit als auch eine moderne, gut ausgebildete und diverse Polizei, die Gleichbehandlung und das Wohl der Bürger*innen in den Mittelpunkt stellt.

Eine Polizei gewappnet für das 21. Jahrhundert

Berlin ist bei der Aufklärungsquote von Straftaten häufig das Schlusslicht im Bundesländervergleich. Insbesondere die Digitalisierung der eigenen Infrastruktur und der Einsatz neuer Instrumente der Ermittlungsunterstützung sind unerlässlich für eine Steigerung der Aufklärungsquote. Die Implementierung neuer Techniken, die insbesondere den steigenden Anforderungen einer modernen Beweisführung entsprechen, muss vollumfänglich sichergestellt werden. Zudem ist in diesem Bereich die Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt weiter zu intensivieren.

Die bisherigen Bemühungen der Landesregierung haben nicht dazu geführt, dass bei der Polizei genug Stellen besetzt wurden. Insbesondere das Landeskriminalamt ist in einigen Dezernenten weiterhin chronisch unterbesetzt, was unmittelbare und gravierende Folgen für die Strafverfolgung hat. Volt will sich insbesondere dafür einsetzen, dass:

  • eine Ausbildungsoffensive ins Leben gerufen wird. Wir benötigen in Berlin genügend qualifizierte und motivierte Polizist*innen, die für die steigende Komplexität ihres Berufs bestmöglich vorbereitet werden müssen.
  • die Ausbildungspläne sich noch stärker mit dem neuen Antidiskriminierungsgesetz und dem Thema Racial Profiling auseinandersetzen, damit bestehende Denkmuster bereits frühzeitig kritisch hinterfragt werden. Ebenso soll die Bedeutung von interkulturellen Aufgaben innerhalb der Polizei verstärkt Teil des Lehrplans werden.
  • die Polizeischulen mit ausreichend Lehrkräften besetzt sind, damit die Auszubildenden optimal vorbereitet werden.

Organisierte Kriminalität als europäische Herausforderung

Wir legen Wert darauf, die Netzwerke der kriminellen Systeme als Ganzes zu bekämpfen. Die organisierte Kriminalität ist oftmals europäisch und weltweit vernetzt und macht nicht an Grenzen halt. Wir setzen uns daher insbesondere für europäische Lösungen zur Bekämpfung von Kriminalität ein.

Konkret möchten wir umsetzen, dass:

  • der Aufbau von europäischen Austauschformaten und sogenannten Joint Investigation Teams innerhalb der Berliner Polizei proaktiv ausgeweitet wird. Zudem soll sich die Berliner Polizei weiterhin an temporären europäischen Projekten beteiligen.
  • die Spezialabteilung der Berliner Staatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität mit weiteren Ressourcen ausgestattet wird. Insbesondere die Bekämpfung der Geldwäsche muss noch stärker im Fokus stehen.
  • Geldwäsche insbesondere im Immobilienmarkt unterbunden wird. Dazu wollen wir prüfen, ob die seit Oktober 2020 geltende „Geldwäschegesetzmeldepflichtverordnung – Immobilien“ effektiv wirkt. Zudem wollen wir Schlupflöcher, wie sie zum Beispiel durch sogenannte Share Deals entstehen, schließen.
  • Aussteiger*innenprogramme für sämtliche Mitglieder der organisierten Kriminalität etabliert werden.

Rechtsextremismus[1] in Berlin keine Chance geben

Die Zahl an rechtsextremen Straftaten hat sich im letzten Jahrzehnt nahezu verdoppelt, wobei die Aufklärungsquote von rechten Gewaltdelikten zuletzt weiter abgenommen hat.

Folgende Maßnahmen wollen wir ergreifen:

  • die rasche Weiterentwicklung des Analysetools „Radar“ des Bundeskriminalamts im Land Berlin zur Anwendung in unterschiedlichen Einsatzgebieten.
  • Der Berliner Verfassungsschutz soll sicherstellen, dass der Austausch von Informationen mit anderen Bundesländern, dem Bundesamt für Verfassungsschutz sowie unseren europäischen Partner*innen weiter intensiviert wird.
  • intensivere Aufklärung und politische Bildung innerhalb der Polizei zum Thema Rechtsextremismus und Reflektion von Vorurteilen.
  • Rechtsextreme Äußerungen, im Dienst sowie in Chatgruppen, müssen ernst genommen und sanktioniert werden. Die Meldung kritischer Äußerungen muss für Kolleg*innen, Täter*innen und Zeug*innen anonym und einfach ermöglicht werden, unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte aller Beteiligten.
  • in jedem Bezirk ein Dialogforum geschaffen wird. Dort können Polizei und Bürger*innen intensiv in Kontakt treten und darüber Vertrauen, Sensibilität und Verständnis für beide Seiten aufbauen.

Terrorabwehr und Bürger*innenrechte in Balance

Weitreichende Eingriffe und eine Einschränkung von Bürger*innenrechten mit Verweis auf eine mögliche Terrorgefahr sehen wir sehr kritisch. Insbesondere den ausufernden Einsatz von Videoüberwachung ohne stichhaltigen Nachweis eines Nutzens lehnen wir ab. Daher setzen wir uns dafür ein, die bestehenden Systeme im öffentlichen Raum dahingehend zu überprüfen, ob diese tatsächlich effektiv Kriminalität reduziert haben und den Datenschutzvorgaben entsprechen.

Umfangreiche Pilotprojekte zur Gesichts- und Gestenerkennung wurden bereits am Bahnhof Berlin-Südkreuz durchgeführt. Diese Systeme schränken die Grundrechte der Bürger*innen stark ein. Auch wenn diese Möglichkeiten aktuell noch nicht voll ausgeschöpft werden, ist eine Änderung in Zukunft denkbar. Um eine mögliche missbräuchliche Nutzung zu verhindern, setzen wir uns ein für einen grundsätzlichen Verzicht auf Technologien zur automatisierten Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. So wurde es zum Beispiel auch in San Francisco entschieden.

Eine gestärkte Justiz

Der bestehende Personalmangel und die Vernachlässigung der Digitalisierung sind die Hauptgründe dafür, dass die Berliner Justiz seit Jahren überlastet ist. Als Folge werden Strafverfahren verzögert oder ausgesetzt. Dieser Rückstand sorgt für Frustration im gesamten Justizapparat. Konkret setzen wir uns ein für:

  • Abbau des Personalmangels in der Berliner Justiz durch Schaffung von neuen Stellen und Erhöhung der Attraktivität der Berufsfelder
  • Förderung der Diversität der Mitarbeitenden in der Berliner Justiz, die der Berliner Bevölkerung entspricht
  • digitale Transformation der Berliner Justiz mithilfe der geplanten Senatsverwaltung für Digitalisierung (siehe Senatsverwaltung für Digitalisierung). Hiermit kann eine deutliche bürokratische und zeitliche Entlastung der Mitarbeitenden in wenigen Jahren erfolgen.
  • Bildung einer festen Organisationseinheit in der Senatsverwaltung für Digitalisierung in Zusammenarbeit mit dem IT Dienstleistungszentrum Berlin und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zum Schutz der Justiz vor Cyberangriffen wie durch Emotet
  • rasche Einführung der E-Akte in der Justiz deutlich vor 2026
  • Ausbau der Justiz-Onlinedienste in sinnvoller Verknüpfung mit den digitalen Services (Bürger*innendiensten) der Stadt Berlin, sodass entsprechende Leistungen einfacher gefunden und in Anspruch genommen werden können

Fußnoten

Fußnoten
1 Wir verzichten bewusst darauf, linksextremistisch motivierte Gewalt in diesem Kapitel zu benennen (auch wenn wir diese selbstverständlich ablehnen). Dies würde die Gefahr einer Relativierung und Verharmlosung von rechtsextremen und rassistischen Grundgedanken mit sich bringen.