Kapitel 4 | Abschnitt 5

Schüler*innen sollen bestmöglich auf zukünftige Herausforderungen vorbereitet sein durch eine ganzheitliche und individualisierte Ausbildung, die auf Fähigkeiten, Fertigkeiten und Potenziale der Lernenden eingeht.

Unser Ziel ist es, informierte, involvierte, selbstständige und mündige Bürger*innen auszubilden. Lehrkräftemangel, zu große Klassen und zu wenig Innovation in den Schulen verhindern dies jedoch. Daher wollen wir das öffentliche Schulsystem stärken und für attraktive Lernbedingungen sorgen.

Multiprofessionelle Teams und bessere Konditionen für Lehrkräfte

In Berlin fehlen circa 3.000 Lehrkräfte. Nicht zuletzt auch wegen der COVID-19-Pandemie und der attraktiven Verbeamtung in Brandenburg wurden viele Lehrstellen nicht besetzt. Zudem leiden Lehrkräfte immer öfter an Stress und psychischem Druck, was zu weiterem Ausfall führt. Die 40 % quereinsteigenden Lehrkräfte in Berlin sind überproportional hoch auf soziale Brennpunkte und Randbezirke verteilt.

Wir werden folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Der Lehrberuf in Berlin muss attraktiver und an bessere Konditionen gekoppelt werden: mehr Freiräume für pädagogisches Arbeiten, Ausbau des therapeutischen Angebots für Lehrkräfte, Evaluierung und ggf. Anpassung der Hauptstadtzulage, fächer-angepasste Klassengrößen.[1]
  • Verteilung der komplexen pädagogischen Arbeit auf multiprofessionelle Teams. Es müssen nicht nur mehr Lehrkräfte, sondern auch zusätzliche sonderpädagogische Begleitende, Sozialarbeitende und Psycholog*innen an Schulen angestellt werden.
  • angepasste Weiter- und Fortbildungen, die Lehrkräfte auf den tatsächlichen Schulalltag vorbereiten, wie z. B. Konfliktbewältigung, Kommunikationsfähigkeit
  • Bezug zu Klimawandel und -gerechtigkeit im Curriculum der Lehrer*innen
  • eine angemessene Zahl an Lehrkräften mit pädagogischer Ausbildung in sozialen Brennpunkten und Randbezirken

Bildungsqualität durch Feedback und Vernetzung von Lehrkräften erhöhen

Berlin gibt pro Schüler*in bundesweit das meiste Geld aus – allerdings wurde dadurch die Qualität der schulischen Bildungsvermittlung[2] nicht gesteigert. In den Schulen wurden bisher nur unzureichend Konzepte zum Qualitätsmanagement etabliert. Dementsprechend werden Evaluierungen häufig nicht durchgeführt oder die Resultate bleiben ohne Konsequenzen.[3]

Unser Ziel ist es, Standards zu etablieren, Unterrichtsqualität regelmäßig zu überprüfen und Defizite unverzüglich zu beheben.

Volt wird folgende Ideen umsetzen:

  • Aufbau eines Netzwerks für Lehrkräfte derselben Schule und verschiedener Schulen untereinander. Hierbei liegt der Fokus auf einer offenen Feedbackkultur, gegenseitiger Supervision, sowie Integration neuer didaktischer und methodischer Ansätze. Unterstützung der Schul- und Fachleitung beim Ausbau dieser Strukturen.
  • Einführung einer effektiven und wertschätzenden Feedback-Kultur in Schulen durch regelmäßige Evaluation der Lehrkräfte untereinander nach einheitlich definierten Standards durch die Schul- und Fachleitung, sowie Einbindung von Feedback von Lehrkräften und Schüler*innen. Darüber hinaus sollen auch Sonderpädagog*innen und Schulbegleiter*innen bei der Evaluierung einbezogen werden, soweit diese dem Unterricht regelmäßig beiwohnen.
  • Erarbeitung eines Entwicklungsplans und konkreter Weiterbildungsziele für Lehrkräfte basierend auf der Evaluation
  • Überarbeitung des Weiterbildungskonzepts für Lehrkräfte, mit stärkerer Ausrichtung an aktuellen Themen (z. B. Inklusion, Medienkompetenz, Klimagerechtigkeit)
  • Rahmenbedingungen schaffen, damit Lehrkräfte ausreichende und kostenlose Fort- und Weiterbildungen in Anspruch nehmen können. Diese dürfen weder den Unterricht behindern, noch außerhalb der regulären Arbeitszeiten liegen, um keine Mehrbelastung für interessierte Lehrkräfte darzustellen.

Persönlichkeitsentwicklung, Reflexionsfähigkeit und politische Mündigkeit

Volt stellt die Persönlichkeitsentwicklung, das selbstbestimmte Leben sowie die Eingliederung und Mitgestaltung der Gesellschaft in den Fokus der Lehre an den Schulen.[4]

Volt möchte folgende Maßnahmen ergreifen: 

  • flexibleres Curriculum, das sich an das Weltgeschehen, die Bedürfnisse der Lernenden oder die Gruppensituation anpassen kann, um Lehrkräften mehr Freiraum zu geben
  • umfassende Klimabildung an KiTas und Schulen. Hierfür sollen Bildungspläne in Kitas sowie Curricula in den Schulen entsprechend angepasst werden
  • Reduktion der notenbasierten Bewertung und Ergänzung durch ein Feedbacksystem, welches sich an den persönlichen Stärken und Fähigkeiten von Schüler*innen orientiert. Dies hat zur Folge, dass die Persönlichkeitsentwicklung und weniger die reine Wissensabfrage in den Mittelpunkt rückt.
  • Einführung von verbindlichen strukturierten Gesprächen zur Persönlichkeitsentwicklung (vglb. mit Lernentwicklungsgesprächen) mit Schüler*innen, Lehrkräften/Erzieher*innen und Erziehungsberechtigten zum gemeinsamen Besprechen der Fortschritte, der persönlichen Umstände und der Planung von Zielen für das nächste Halbjahr[5]
  • Fortbildung der Lehrkräfte in Bezug auf kompetenzorientiertes, schüler*innen-zentriertes und projektbasiertes Lernen[6]

Senkung der Zahl an Schulabbrechenden

Im bundesweiten Vergleich hat Berlin eine hohe Schulabbrechendenquote. Durch ein sicheres und eng zusammenarbeitendes Netzwerk von Schüler*innen, Erziehungsberechtigten, Lehrenden, Sozialarbeitenden, Ämtern, Verwaltung und SIBUZ kann die Abbrechendenquote gesenkt werden.

Volt möchte folgende Maßnahmen umsetzen:

  • Erstellung eines Konzeptes zur besseren Vernetzung von Bildungseinrichtungen, sozialpädagogischen und therapeutischen Einrichtungen, Nichtregierungsorganisationen, Erziehungsberechtigten sowie den staatlichen Ansprechpersonen
  • finanzielle und personelle Aufstockung der Jugendhilfe und der Gesundheitsämter 
  • Verbesserung der frühzeitigen Erkennung und nachhaltigen Förderung von benachteiligten oder lernschwachen Schüler*innen. Dies kann durch aufsuchende Arbeit an Schulen und durch Verbesserung der digitalen Angebote des SIBUZ oder vergleichbaren Organisationen erzielt werden.
  • Fortführung und wissenschaftliche Begleitung des Berliner Bonus-Programms”.[7] Hierbei erhalten Schulen mit einer hohen sozialen Belastung zusätzliche finanzielle Mittel vom Senat. Dies kann dabei helfen, soziale Integration von schwächeren Schüler*innen gezielter zu fördern und die Rate an Schulabbrechenden zu senken.

Unterstützung beim Übergang von der Schule in den Beruf

Die Jugendarbeitslosigkeit in Berlin ist im Jahr 2020 auf 10,5 % gestiegen und höher als der Bundesdurchschnitt. Die Orientierungsangebote während und nach der Schulzeit müssen neben der Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Bedürfnisse neue Perspektiven eröffnen und die Absolvent*innen handlungsfähig machen. 

Konkret setzen wir uns für folgende Maßnahmen ein:

  • Herausarbeitung von individuellen Fähigkeiten, Interessen und Ressourcen bereits in den letzten Schuljahren, integriert in den Unterrichtsablauf. Zusätzliche Orientierungstage zur frühzeitigen Vernetzung mit Beratungsstellen, Arbeitgebenden, Hochschulen oder Förderungswerken.
  • praktische Bewerbungstrainings in der Schul- und Abschlusszeit. Hier können Absolvent*innen Bewerbungsgespräche üben sowie Lebensläufe, Anschreiben und Mappen erstellen.
  • Förderung und Bewerbung des freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahres, des Bundesfreiwilligendienstes und des Europäischen Freiwilligendienstes
  • den Ausbau von Kontakten zwischen europäischen Schulen, Betrieben, Organisationen und anderen Bildungsinstitutionen, indem mehr außerschulische Lernsituationen (z. B. Praktika, Vorträge, Praxislerntage) angeboten und entsprechend finanziert werden werden
  • die Förderung von Programmen zum Übergang zwischen Schule und Beruf (wie das MUT-Camp in Hamburg)

Fußnoten

Fußnoten
1 Vgl. Country Note, Finland, in: OECD: Education at a Glance 2014, 2014, [online] http://www.oecd.org/education/Finland-EAG2014-Country-Note.pdf [26.01.2021].
2 Mit der Qualität der schulischen Bildungsvermittlung ist nicht der (inter-)nationale Vergleich der Fähigkeiten der Schüler*innen gemeint, sondern die Qualität der Vermittlung der Lerninhalte.
3 Vgl. Qualitätskommission zur Schulqualität in Berlin, in: Berlin.de, 07.10.2020, [online] https://www.berlin.de/sen/bjf/service/presse/pressearchiv-2020/pressemitteilung.1001055.php [05.11.2020].
4 Vgl. Pape, Helmut / Tom Kehrbaum: John Dewey – Über Bildung, Gewerkschaften und die demokratische Lebensform, in: Hans Böckler Stiftung, 06.2019, [online] https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_421.pdf [13.11.2020]. Seite 16.
5 Vgl. Butz, Tobias: Dialogische Form der Leistungsbeurteilung, in: Das Deutsche Schulportal, 03.11.2020, [online] https://deutsches-schulportal.de/konzepte/portfolio-dialogische-form-der-leistungsbeurteilung [13.11.2020].
6 Vgl. Dürr, Karlheinz: The school: A democratic learning community, in: Council of Europe, 11.2005, [online] https://rm.coe.int/16802f726f [13.11.2020].
7 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitstudie zum Bonus-Programm: in: DIPF – Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation, 2018, https://www.berlin.de/sen/bildung/unterstuetzung/bonus-programm/anbieter/bonus_september-2018_zentrale-ergebnisse-fuer-senbjf.pdf, S. 3ff.